DPU - Wissenschaft & Kunst im Dialog

Manchen macht es Sorge, wenn sie mit KI konfrontiert werden, weil sie möglicherweise Unheilsszenarien Richtung Zukunft wittern bzw assoziieren. Da und dort gibt es dazu schwere Bedenken – nicht unberechtigt. Dennoch sollte nicht Angst der Zugang zu dieser Thematik sein, sondern die nüchterne Überlegung: „Cui bono?“ Und tatsächlich will so manches bedacht sein – vor allem der Umgang mit der Verantwortung. 1. Zunächst ein Wort zum Begriff „Künstliche Intelligenz“: Der Begriff „Intelligenz“ leitet sich vom Lateinischen ab – von „intus legere“, frei übersetzt: drinnen lesen, zwischen den Zeilen lesen, Zusammenhänge erkennen und verstehen, ausgerichtet sein auf einen letzten Seinsgrund, auf das Absolute. Kann das ein Computer? Gehört nicht das Phänomen der Intelligenz zu einem lebendigen Wesen, genauer zu einem Menschen? Wie kann Intelligenz in einer toten Maschine auftauchen? Wenn ein Computer „intelligent“ ist und „denken“ kann, hat er dann auch „Verantwortung“? Hat ein solcher Roboter Menschenwürde? Ist er empathiefähig? 2. Sicher ist, dass ein Mensch den Computer zunächst einmal programmiert hat, ihm alles eingegeben hat, was dieser zu vollziehen hat, selbst wenn der Computer sich dann weiterentwickelt und selbständig „lernt“. Diese sogenannten selbstlernenden Systeme können offensichtlich miteinander kommunizieren, ohne dass ein Mensch eingreift. Sie können sich sogar vom Menschen abkoppeln und sich seiner Kontrolle entziehen. Dennoch bleibt der Mensch letztverantwortlich für das, was der Computer ausführt. „Maschinen können zwar schneller rechnen und bestimmte Funktionen besser ausführen als wir Menschen, aber sie wissen nicht, was sie tun“ (Dr. Mathis Beck). Es fehlt ihnen das Bewusstsein. Eine Maschine kann nur auf Eingaben folgen und trägt folglich auch keine Verantwortung für ihr Tun. Letztere bleibe beim Menschen, egal ob es sich dabei um ein selbstfahrendes Auto oder einen Algorithmus für Online-Shops oder soziale Medien etc. handelt. Da gehen viele ethische Fragen mit. Gründliche ethische Reflexion ist angesagt! 3. Nur der Mensch verfügt über Freiheit und Verantwortung. Mit dieser Freiheit steht der Mensch vor Gott und wird auch einmal nach seinem Umgang mit dieser Freiheit gefragt. Wo sich der Mensch allerdings Gott gegenüber in Autonomie begibt, sich selbst Gesetz (autos nomos!) ist und keine Instanz über sich duldet, Gott realiter „cancelt“ und selbst die Werte für das Handeln bestimmt – in solchen Händen kann KI problematisch werden und – wie wir aus der Geschichte wissen – wird es auch, wenn das treibende Motiv per se nicht gut ist. Wir sollten Freiheit und Verantwortung unter dem Aspekt der Liebe durchdenken. Der wirklich freie Mensch ist der Liebende, dessen Motiv im Denken und Tun das Gute ist, ganz im Sinn des Römerbriefs, wo Paulus schreibt: „Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses.“ (Röm 13, 10). Da ist die KI in guten Händen. Eines muss aber allen klar sein: Die Entscheidung, ob KI für den Menschen gut oder schlecht verwendet und eingesetzt wird, fällt nicht in der Technik, sondern in der Spiritualität – im leitenden Gottesbild und Menschenbild. Darf der Mensch, was er kann? KI und Verantwortung Abt Columban Luser OSB, Abt des Stiftes Göttweig von einer fühlenden Intelligenz gesteuert werden, deren Ziel es ist, am Leben zu bleiben. Aber damit nicht genug: Menschliche Intelligenz operiert ebenfalls vor dem Horizont des Sterbens – nicht nur, sofern sie – unbewusst – fortwährend für das Fortleben des Leibes sorgt, sondern vor allem, sofern in ihr, wie der Wiener Psychiater Viktor E. Frankl nachweisen konnte, ein unauslöschlicher „Wille zum Sinn“ waltet, der uns dazu veranlasst (oder doch veranlassen könnte), jedem Augenblick unseres Lebens Sinn und Wert zu verleihen. Lebten wir hingegen nicht vor dem Horizont des Todes und passten uns zunehmend den unsterblichen Algorithmen der KI an, erläge dieser Wille zum Sinn und wiche einer grauen Gleichgültigkeit; denn auch die avanciertesten generativen Algorithmen werden niemals in der Lage sein, menschliche Sinnfragen und Sinnstiftungen nachzuvollziehen. Sie können sie allenfalls simulieren, eine echte existenzielle Semantik wird ihnen aufgrund ihres Mangels an Leiblichkeit aber niemals zugänglich sein. Simulierter Sinn kann Menschen nicht mit Geist erfüllen – er kann sie nicht begeistern, wohl aber entgeistern, sobald die Simulation als solche durchschaut ist. Unsterblichkeit – zumindest im Sinne der vom Transhumanismus in Aussicht gestellten endlosen Fortdauer des Lebens – zerstört den Raum menschlicher Sinnstiftung und Sinnfindung; und eine nicht-leibliche „Intelligenz“ vernichtet gleichzeitig damit sowohl den Spielraum als auch die Spielzeit menschlichen Kulturschaffens, das von jeher der Sinnstiftung oder Sinnvermittlung gedient hat. Diese Erosion des Humus, auf dem die Humanität zu wachsen und das Humanum zu erblühen vermag, ist das eigentlich Furchtbare an der von Zuse prognostizierten Gefahr der Computertechnik: der Angleichung des Menschen an Computer bzw. Algorithmen. Wie weit diese Gefahr schon gediehen ist, verrät der Umstand, dass immer mehr Wissenschaftler*innen einem neuen Reduktionismus erliegen, dessen Credo von Harari treffend auf den Punkt gebracht wurde: Menschen sind nichts anderes als biochemische Nutzenoptimierungsalgorithmen. Dieses Mindset wird das Humanum töten und mit ihr die menschliche Kultur zum Erliegen bringen. Was dann bleibt, sei den Science-Fiction-gesättigten, pubertären Fantasien eines Ray Kurzweil oder Elon Musk überlassen. Für die Bewahrung des Menschen – mit all seinen Schwächen und Stärken – braucht es keinen Transhumanismus, sondern einen neuen Humanismus: einen Humanismus, der mit aller Klarheit neuerlich die alte delphischen Frage aufwirft, die den ersten Humanismus entfesselt hat: Was heißt es, ein Mensch zu sein; ein Humanismus, der die Humilitas – Demut – aufbringt, die eigene Endlichkeit nicht nur anzuerkennen, sondern als das zu schätzen, was sie ist: ein Segen; ein Humanismus, der sich nicht scheut, den Versuchungen des Transhumanismus zu widerstehen und deren Menschenverachtung zu entlarven. Mehr Daten lösen mehr Probleme – das ist der gegenwärtige Grundtenor weiter Bereiche der modernen Medizin. Auf die Frage, wie man die Herausforderungen der Medizin besser meistern kann, gibt es allenthalben nur eine Antwort: mehr Daten. Die Daten gelten heute als Leitwährung der Medizin. Nun ist nichts gegen die Erhebung von Daten einzuwenden. Ganz im Gegenteil. Und doch ist die alleinige Konzentrierung auf Daten für eine Disziplin wie die Medizin schlichtweg zu wenig. Warum eigentlich? Zunächst einmal gilt es zu bedenken, dass die Daten keine Wiedergabe der Welt darstellen, sondern mit den Daten wird eine Welt erzeugt, und zwar eine Welt, die zuvor auf das bloß Erhebbare, Darstellbare, Zählbare reduziert worden ist. Wer also nur auf Daten baut, blendet automatisch all die Aspekte der Welt aus, die sich nicht in Daten erfassen lassen. Die Welt der Daten ist von daher immer nur eine ausschnitthafte Welt. Hinzu kommt, dass das Datum selbst ja nicht einfach die Widerspiegelung dieses Ausschnittes der Welt darstellt, sondern das Datum ist das Resultat einer Entsinnlichung der Welt. Damit aus der Welt ein Datum gemacht werden kann, muss die Welt vorher entkontextualisiert werden, sie muss aus dem Zusammenhang genommen und datenförmig zugeschnitten werden, indem die Phänomene der Welt entkörperlicht, entzeitlicht, entsinnlicht werden. Die Daten sind insofern vielfache Abstraktionen der Welt und keineswegs eine Widerspiegelung der Welt. Nun gelten die Daten zwar als objektive Darstellung der Welt, weil die Zahlen Neutralität suggerieren, aber das ist ein Trugschluss. Indem die Welt numerisiert wird, erhält man damit keine objektive Sicht auf die Welt, sondern man richtet die Welt so zu, dass sie in die datenförmige Sichtweise der Welt hineinpasst. Vor der Datafizierung der Welt steht also eine Weltsicht, die die Welt für die Messparameter passend zurichtet. Die Daten sind daher keine objektiven Darstellungen der Welt, sondern Resultate einer Die moderne Medizin und die Auratisierung der Zahl Univ.-Prof. Dr. Giovanni Maio, Mediziner, Philosoph, Medizinethiker und Universitätsprofessor für Bioethik, Gastdozent für Medizinethik an der Danube Private University Fortsetzung auf der nächsten Seite

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